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Mit Digitalen Zwillingen aus dem Digitalisierungstief

Die Industrie tut sich mit der Digitalisierung der Produktion schwer. Die Gründe sind vielfältig. Mal liegt die Schuld bei Corona, mal hat man zu viele Aufträge und mal zu wenige. Die IT ist mit dem ERP vollständig ausgelastet und hat allemal keine Zeit für neue Projekte und die Produktion kann es allein auch nicht leisten. Außerdem kann man ja auch ohne Smart Factory ganz gut produzieren. Oder?

Ist die digitale Transformation mit der Quadratur des Kreises gleichzusetzen? Das sollte man meinen. Schließlich hört sich "Smart Factory" wahnsinnig kompliziert an.

Die Lösung könnten Digitale Zwillinge sein, die einem Grundsatz folgen: Sie ergänzen einfach den Physikalischen Zwilling, also die in der Realität existierende Maschine, ein Produkt, Werkzeug oder einen Behälter und übernehmen Aufgaben, die der Physikalisch Zwilling nicht beherrscht. Diese Aufgaben werden in der nicht digitalen Produktion, also Industrie 3.0, üblicherweise von Menschen in der AV, den Teamleitern, Werkern, Managern oder Instandhaltungstechnikern übernommen. Also genau von den Leuten, die "eigentlich" für mehr Effizienz in der Produktion sorgen sollen. Wenn ein Planer aber mehrere Stunden am Tag mit dem Leitstand (manche Leute würden gern das "t" durch ein "d" ersetzen) beschäftigt ist, dann kann er seine Kernaufgabe der Prozessgestaltung nun mal nicht wahrnehmen.

Ein Digitaler Zwilling ist im Prinzip sehr einfach aufgebaut. Er besteht aus

  • Connector, der den Datenaustausch zwischen dem Physikalischen und Digitalen Zwilling regelt

  • Datenmodell, das alle Daten sammelt und analysiert

  • Algorithmen, die den Digitalen Zwilling tatsächlich "schlau" machen

Der Connector besorgt also die Daten von dem Physikalischen Zwilling. Die Datenquelle kann eine Maschinensteuerung sein, ein CAQ- oder Messsystem, ein Datenbanksystem oder irgendeine andere Software. In der Regel sind diese Datenquellen alle schon vorhanden, bevor jemand überhaupt über Digitale Zwillinge nachdenkt. Und noch eine gute Nachricht: Die Connectoren basieren auf Standards wie OPC-UA. Standards, die sogar inzwischen die ganz konservativen Maschinenbauer unterstützen und selbst in älteren Maschinen nachrüsten können. Neue Maschinen, die im Jahre 2021 noch immer ohne OPC-UA ausgeliefert werden, sollte man gar nicht erst in Betrieb nehmen. Darüber hinaus gibt es für die gängigen Steuerungssysteme von Siemens, Beckhoff und anderer Hersteller Nachrüstsysteme, mit denen ein Elektroniker mit etwas Übung (und etwa 1.000 Euro von der Geschäftsleitung) den Connect hinbekommt. Selbst ganz alte Maschinen mit Relaissteuerung oder auf mechanischen Ingenieurskünsten gebaute Uralt-Aggregate lassen sich über Sensoren und Kleinsteuerungen koppeln. Somit in der Tat keine Raketenwissenschaft. 

Das Datenmodell ist ebenfalls kein Hexenwerk: Es nimmt alle Daten aus der Maschinensteuerung, dem CAQ, einer Datenbank oder irgendeiner Software entgegen und speichert sie in einer Art "Register". IndustryView SF nutzt dafür einen sogenannten "Databus". Dieser Databus funktioniert so ähnlich wie das Ethernet, von dem inzwischen unser gesamtes Leben abhängt. Die Daten werden also von dem Absender (beispielsweise der Maschinensteuerung) in Pakete gepackt und an den Empfänger geschickt. Der Empfänger ist in unserem Fall der Digitale Zwilling.

Übrigens: Der Digitale Zwilling der Maschine, des Produkts, Materials oder Behälters "wohnt und arbeitet" in einem Server in Ihrem Unternehmensnetzwerk.

Interessant ist nun, das sich jeder Digitale Zwilling mit anderen Digitalen Zwillingen vernetzen und "unterhalten" kann. Deshalb kann ein Digitaler Zwilling auch seine Auftragsplanung selbstständig durchführen, was übrigens einfacher ist, als es sich anhört. Der Digitale Zwilling braucht dazu keine "hellseherischen Fähigkeiten", sondern er schaut einfach voraus und simuliert den Prozess. Aber dazu kommen wir gleich, wenn wir über Algorithmen reden.

Bleiben wir noch einen Augenblick bei dem Datenmodell des Digitalen Zwillings. Sie könnten jetzt auf die Idee kommen, dass die Prozessdaten bei Ihnen schon existieren, weil Sie ein BDE-System installiert haben oder die Werker die Daten in Ihr ERP zurückmelden. Es gibt einen Unterschied: Wir reden gerade über einige hundert oder tausend Datenfelder pro Stunde, die der Digitale Zwilling in Echtzeit verarbeitet. Also Takte, Geschwindigkeiten, Kräfte, Temperaturen, Warnhinweise, Stillstandauslöser, Messwerte von Teilen, Kamerabildern und vielem ,vielem mehr. "Schutztür auf" (oh... Sie erkennen daran, dass jemand einen Fehler behebt und an der Maschine arbeitet), allmählich steigende Kräfte (die darauf hindeuten, dass ein Werkzeug geschliffen werden muss), sich verändernde Teilemaße, die auf Verschleiß von Werkzeugteilen verweisen, eine höhere Anzahl von Partikeln im Hydrauliköl (das allmählich ausgetauscht werden sollte).

Durch Daten allein wird ein Digitaler Zwilling nicht intelligent. Er braucht Algorithmen.

Nun haben wir Sie lange genug hingehalten... Wie kann es also sein, dass eine Maschine ihre Fertigungsaufträge selbstständig plant? Ohne ERP und ohne MES? Ganz einfach: mit einem eigenen Algorithmus. Die Betonung liegt hier auf "eigenen". Das ist etwas Besonderes. Bisher hat die ganze Welt geglaubt, dass nur ERP's planen können. Schließlich steht das "E" für Enterprise und das "P" für Planning. Darüber hinaus hat es Jahre gedauert, um es in die Gänge zu bekommen und - was hat die Sache noch gekostet ?- (darüber wollen wir jetzt besser nicht nachdenken). Ach ja, wir haben ganz zu Beginn dieses Artikels angemerkt, dass die IT keine Zeit hat, weil sie mit ERP schon vollständig ausgelastet ist. Es kostet also weiterhin eine Menge Zeit und Geld. Unser Vorschlag: Machen Sie sich einfach mal Gedanken darüber, ob Ihr ERP wirklich ALLES gut kann oder der Digitale Zwilling vielleicht doch die intelligentere Wahl ist, wenn es um Produktion geht. Machen Sie sich einfach mal Gedanken darüber, ob Ihr ERP wirklich ALLES gut kann oder der Digitale Zwilling vielleicht doch die intelligentere Wahl ist.

Algorithmen sind in Programme gegossene Logik. Darüber müssen wir jetzt auch nicht lange reden. Nachdenken sollten wir allerdings darüber, wer die Programme für die Digitalen Zwillinge entwickelt. Jedenfalls hört sich das nach sehr viel Aufwand an und - braucht man dafür nicht Informatiker? Moment mal... steuern Sie nicht Ihre Produktion mit Excel? Excel, das ist diese geniale Tool von Microsoft, mit dem jeder seine eigene Lösung entwickeln kann und es ihm so als Fachmann erspart bleibt, der Weisung der IT ("schreiben Sie erstmal auf, was Sie wollen!") zu folgen. Es stimmt also nur bedingt, dass Algorithmen nur durch langstudierte Informatiker gebaut werden können. Abteilungsleiter und Werkzeugmechaniker können das auch, wenn sie nur die richtigen Tools bekommen (siehe Excel). Diese Tools nennen sich übrigens im Neudeutschen "Low-code"-Systeme. Sie arbeiten also mit Bausteinen, die sich wie Lego zusammenstecken lassen.

Es gibt noch eine genialere Lösung für Leute die keine Zeit haben, Algorithmen aufzubauen: KI

KI - Künstliche Intelligenz...

 

Was sich gewaltig anhört, ist in Wahrheit eine geniale Lösung für Leute, die keine Zeit für Datenpflege haben, also für unsere Fertiger, deren Arbeitsplätze aus Maschinen und Werkbänken bestehen - und eben nicht hauptsächlich aus Computern. In IndustryView SF, also unserer Smart Factory - Plattform, arbeiten die Digitalen Zwillinge mit KI und erzeugen so selbstständig ihr Wissen über die typische Durchlaufzeit von Behältern (wichtig für die nächste Planung), ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für den Ausfall eines Werkzeugbauteils ist (damit dieses Werkzeug vor dem Rüsten in die Werkzeuginstandhaltung geht) und wann die nächste Wartung an der Maschine durchgeführt werden sollte (ist Wartung nicht oft abhängig von der Belastung der Maschine?).

Digitale Zwillinge für die Dinge, mit denen Sie in der Fertigung das Geld verdienen (oder manchmal auch verlieren) sind also genial. Sie sind genial einfach und genial schnell. Sie sind genial intelligent und genial kostengünstig. Sie können Prozesse sehr viel effizienter machen (unsere Kunden berichten oft von mehr als 15% im ersten Monat nach der Installation, was wir selbst manchmal nicht glauben können) und für eine große Prozesssicherheit sorgen (Prozesssicherheit ist das, was Sie für eine hohe Produktqualität und gelassene Manager brauchen). Das Entscheidende ist: Die Menschen arbeiten jetzt viel enger zusammen. Es entsteht ein neues Miteinander. Der Einrichter an der Maschine weiß jetzt plötzlich, was der Werkzeugmechaniker gemacht hat und worauf er beim Rüsten achten muss. Der Qualitätsmitarbeiter kann die roten Zettel mit den Hinweisen zur Vermeidung der letzten Kundenreklamation weglassen und das KVP-Team kann jedes Prozessdetail, was zu immer wiederkehrenden Problemen führt, nachvollziehen ("Backlife nennen manche Kunden das). Aber noch wichtiger:

Menschen kommunizieren mit Maschinen, Maschinen mit Menschen, Maschinen mit Maschinen und Menschen mit Menschen.

Soweit so gut... Ich hoffe, Sie sind ab jetzt begeisterter Anhänger von Digitalen Zwillingen. Wenn es so ist, müssen Sie noch zwei Hürden nehmen: Die Geschäftsleitung davon überzeugen, dass sie mit ERP, BDE und MES niemals eine wirklich intelligente Fertigung erreichen (auch dann nicht, wenn sie dafür schon Millionen investiert haben). Haben Sie diese Hürde geschafft? Dann sollten Sie sich gute Argumente für die Überzeugung Ihrer IT-Leitung überlegen. Notfalls lassen Sie ihn diesen Artikel lesen.

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Bernhard Rohe
Geschäftsführender Gesellschafter 
ViewSystems

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